Wie´s früher war… der Klapperstorch
Am Samstag, den 03.08.2019, um 14:30 Uhr, laden die 3. Bürgermeisterin der Stadt Abensberg, Gertraud Schretzlmeier, und Museumsleiter Dr. Tobias Hammerl wieder alle Interessierten in das Foyer des Herzogskastens ein. Diesmal geht es bei Kaffee und Kuchen um Geschichte und Geschichten rund das Kinderkriegen.

Der Klapperstorch hat in Abensberg einen prominenten Platz. Er residiert gut sichtbar auf dem Dach des ehemaligen Karmelitenklosters inmitten der historischen Altstadt. Meister Adebar, was wörtliche soviel wie Glücksbringer heißt, gilt seit rund 250 Jahren als das Tier, welches die Kinder bringt. Die historische Realität von Schwangerschaft und Geburt war jedoch eine gänzlich andere.
Schwangerschaft und Geburt waren Frauensache, äußerst beschwerlich und für Frau und Kind oft lebensbedrohlich. Der Mainburger Landgerichtsarzt Dr. Karl Lautenbacher berichtet: „Die meisten Bauers- und besonders Söldners- und Tagelöhners-Weiber schonen sich im Zustande der Schwangerschaft nicht im mindesten, verrichten alle auch die schwersten Arbeiten noch bis zur Entbindung und werden […] mitunter auch von rohen oder gleichgiltigen Ehemännern dazu gedrängt, denen ein Weib zu verlieren kein besonderes Unglück däucht, da sie eine andere vielleicht jüngere oder vermöglichere unschwer wieder bekommen.“
Eine Krankenhausgeburt war im 19. Jahrhundert die Ausnahme und nicht die Regel. Eine Bürgersfrau, die etwas auf sich hielt, wäre zum Entbinden nie in das städtische Krankenhaus gegangen. Hintergrund ist, dass im Spital die Gefahr einer Infektion aufgrund der dort in Behandlung befindlichen Patienten und der mangelhaften Hygiene des Personals weitaus größer war, als bei einer Geburt mit einer Hebamme in den eigenen vier Wänden.
Die Kindersterblichkeit lag in Bayern im 19. Jahrhundert bei rund 30% in manchen Gegenden sogar bei 50%. Damit hatte Bayern eine der höchsten Sterblichkeitsraten Europas. Jungen starben häufiger als Mädchen. Die hohe Säuglingssterblichkeit hatte mehrere Gründe. So wurden etwa um 1900 noch dreiviertel der Kinder in Niederbayern nicht gestillt. Während vermögende Frauen das Stillen als nicht mit ihrer Würde vereinbar ansahen, konnten Taglöhnerinnen und Bäuerinnen oft aufgrund von Mangelernährung, Arbeitsbelastung und permanenten Schwangerschaften nicht stillen. Deshalb wurden die Säuglinge von Geburt an von Großmüttern oder Ammen mit einem Brei aus Mehl und Kuhmilch sowie Zuckerwasser gefüttert. Da der Mehlbrei oft über längere Zeit warm gehalten wurde, war er der ideale Nährboden für Keime. Die Kinder starben aufgrund der Fehlernährung an „Abzehrung“, „Krämpfe“, „Fraisen“ und „Convulsionen“, worunter man Krankheiten verstand, die vor allem auftraten, weil die Säuglinge nicht gestillt wurden und die Nahrung, die sie bekamen, verdorben war. Auch die Ernährung der nach der Geburt geschwächten Mutter mutet heute seltsam an. Franz Xaver Osterrieder berichtet, dass noch bis 1890 den Wöchnerinnen nur Kümmelsuppe mit Semmelschnitten verabreicht wurde, vermeintlich um dem Kindbettfieber entgegenzuwirken. „Dass Dr. med. Etzinger etwa 1882 seiner jungen Gattin sofort nach der Entbindung vom Aumerbräu vier Weißwürste holen ließ und ihr diese zu essen gab, wurde als unerhörte Frivolität, die einem Mordversuch gleich komme, allgemein bekrittelt“, so Osterrieder.

Schwangerschaft und Geburt bedeuteten nicht nur eine Gefahr für Leib und Leben von Mutter und Kind. Man glaubte, dass Mutter und Kind in der Zeit zwischen Geburt und erstem Kirchgang anfällig für böse Mächte sind. Nichtzuletzt deshalb wurden Amulette, Skapuliere und Glücksbringer dem Kind in die Wiege gelegt und die Mutter bekam ein geweihtes Wachsstöckl. Lautenbacher etwa schreibt dazu im Physikatsbericht: „Auch werden Stücke des rothen Wachsstocks um das Handgelenk und den Löffel der Wöchnerinnen gewunden, um allen Zauber, Hexen und Truden von Mutter und Kind abzuwehren.“ Erst mit dem Aussegnen von Mutter und Kind beim ersten Kirchgang, war die Zeit der größten Gefahr vorbei. Das „Aussegnen“ oder die „Einholung“ einer Wöchnerin war noch bis ins 20. Jahrhundert eine verbreitete Praxis.