
Das Mirakelbuch als Literaturgattung hat seine guten Jahre lange schon hinter sich. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen ist das Quellenmaterial weitgehend erschöpfend bearbeitet. Wo gibt es schon noch eine Wallfahrt, die nicht hinlänglich bekannt wäre und deren Wundersammlungen nicht von einem rührigen Heimatforscher publiziert oder von einem Schüler oder Studenten mit Lokalbezug zum Gegenstand seiner Seminar- oder Zulassungsarbeit gemacht worden wären? Und überhaupt scheint die Thematik ja auch irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein, wo doch immer mehr Mitglieder die Kirchen verlassen und die Verbleibenden selbst zentrale Glaubensinhalte immer weniger akzeptieren.

Und doch haben sich Marianne Heimbucher und Richard Kürzinger an diese Thematik herangewagt – mit Erfolg! Ihre Publikation rund um das Geisenfelder Mirakelbuch verdient in mehrfacher Hinsicht Beachtung. Denn ungewöhnlich ist zunächst der Weg, auf dem das Dokument die Zeiten überlebt hat. Denn es befindet sich nicht in einem Kloster-, Ordinariats- oder Pfarrarchiv oder einer vergleichbaren einschlägigen Sammlung. Es ist bei der Aufhebung des Klosters Geisenfeld in private Hände gelangt und hat die Zeiten am Entstehungsort selbst überdauert, ist in der Familie weitergegeben worden von Generation zu Generation. Neben dieser wundersamen Überlebensgeschichte ist es die Einmaligkeit des Objekts, die seinen Sonderstatus begründet! Denn mit dem Mirakelbuch schließt sich eine Lücke in der Klostergeschichte von Geisenfeld. Man wusste um einen Schriftverkehr aus den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts, der die Etablierung einer Wallfahrt zum Gegenstand hat. Die bisher bekannten Mirakelbücher allerdings setzen erst sehr viel später ein. Mit dem neuen Buch werden nun auch und gerade die Anfänge dieser Wallfahrt greifbar. Und schließlich wirft das Buch einen detailreichen Blick auf eine tiefe und ungebrochene Volksfrömmigkeit in Altbayern zu einer Zeit, in der andernorts die Verwerfungen der Reformation aufzuwallen begannen.
Ein Auszug aus dem Vorwort des Buchs beschreibt dessen Grundgedanken – und macht Lust auf mehr:
„Da tritt uns ein Mikrokosmos entgegen, der die alte Ordnung nicht in Frage stellt. Da geht es nicht um Grundsätzliches sondern um ganz Konkretes. Da treten uns Menschen gegenüber, die sich in einer üblen, teilweise verzweifelten, ja hoffnungslosen Lage sehen, Menschen, die sich einer himmlischen Fürsprache anvertrauen, Menschen, denen aus ihrer Not geholfen wurde. Knapp tausend sind es.“ (S.7)
Gemeinsam mit den Autoren, dem Verleger sowie den Bürgermeistern von Abensberg und Geisenfeld freut sich das Stadtmuseum Abensberg, Ihnen dieses Stückchen neu gefundene Geschichte präsentieren zu dürfen.